Wir als Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) in Potsdam unterstützen vollumfänglich die Mitarbeitenden des AStA der Uni Potsdam (AStA UP) in der kollektiven Vertretung ihrer Interessen als Arbeitende und ihrem Widerstand gegen die erfolgten Kündigungen fast aller Beschäftigten.
Wir nehmen solidarisch Teil am Ringen um den Fortbestand und weiteren Ausbau offen zugänglicher Angebote und selbstverwalteter Freiräume. Dazu gehören die kostenlose Rechtsberatung für Studierende, der Semesterticketsozialfonds, die feministische Bibliothek fem_Archiv in der freien Bibliothek mit Lesecafé Konte[x]t und das studentischen Kulturzentrums [KuZe] mit seinen vielfältigen Möglichkeiten und Angeboten – darunter unsere gewerkschaftliche Sprechstunde, die sich auch und besonders an – allzu häufig studentische – prekär Beschäftigte, Erwerbslose und Menschen in unbezahlten oder illegalen Beschäftigungsverhältnissen richtet. All diese offenen Angebote und Freiräume sind schon deshalb keine freie Verfügungsmasse des AStA UP, weil sie sich im Auftrag der Studierendenschaften mehrerer Potsdamer Hochschulen an alle Studierenden richten.
Was ist passiert?
Nachdem die Mitarbeitenden des AStA UP eine gemeinsame Interessenvertretung gebildet und einen Personalrat gewählt haben, um mit dessen Hilfe ihre ohnehin geringen gesetzlichen Beteiligungsrechte wahrzunehmen, hat der aktuelle AStA-Vorstand zunächst unter Verweis auf angebliche rechtliche Gründe und in eklatanter Überschreitung seiner Kompetenzen den Personalrat für (vermeintlich) aufgelöst erklärt und die Arbeitsverträge der gewählten Mitglieder des Personalrats gekündigt. Als in Reaktion die Mitarbeitenden in einer privaten Chatgruppe über legale und demokratische Möglichkeiten berieten, sich dagegen zu wehren und das dem AStA übergeordnete Studierendenparlament einzubeziehen, hat der AStA-Vorstand zunächst diese vertraulichen Gespräche ausschnüffeln lassen und dann allen daran beteiligten Mitarbeitenden – 11 von 14 noch verbliebenen – am 15.10.2024 fristlos gekündigt. Allen Gekündigten gegenüber wurde zudem ein Hausverbot für das [KuZe]-Gelände ausgesprochen – obwohl der AStA dort gar kein Hausrecht hat. Insgesamt hat sich der AStA UP innerhalb weniger Wochen 14 seiner 17 Mitarbeitenden ohne arbeitsrechtlich relevante Gründe entledigt. Die von diesen ermöglichten Angebote sind damit ersatzlos gestrichen bzw. geschlossen oder, im Falle des [KuZe], massiv behindert und gefährdet.
Union Busting und massenhafte Entlassungen sind keine legitimen Mittel der Auseinandersetzung
Der AStA-Vorstand begründet die fristlosen Kündigungen mit „massivem Vertrauensverlust“ des AStA UP zu den ihm formal unterstellten Mitarbeitenden der verschiedenen offenen Angebote und Freiräume. Tatsächlich aber haben sich all diese Mitarbeitenden, einschließlich der gekündigten Personalratsmitglieder, als Arbeitende selbst organisiert und versucht, mittels kollektiver Interessenvertretung ihre legitimen Interessen und gesetzlich verbrieften Rechte zu wahren. Dass der aktuelle AStA-Vorstand die freie Assoziation seiner Mitarbeitenden als Bedrohung sieht und versucht, mit nebulösem Verweis auf vermeintliche Rechtsgründe, deren Konkretisierung er verweigert, die Mitarbeitenden-Personalvertretung zu beseitigen und alle sich dem völlig legal und demokratisch entgegenstellenden Mitarbeitenden durch sofortigen Raub ihrer materiellen Existenzgrundlage zu bestrafen, stört das Vertrauen der Mitarbeitenden in den AStA massiv. Es handelt sich hierbei um klassisch aggressive Gewerkschaftsfeindlichkeit – Union Busting, wie sie in Deutschland schon seit mehr als 100 Jahren als gesellschaftlich allgemein überwunden gilt.
Auch der Zugriff auf die Inhalte privater, vertraulicher Gespräche der Mitarbeitenden untereinander kann keine Bestrafungen der Beschäftigten rechtfertigen, sondern ist vielmehr selbst ein eklatanter Vertrauens- (und übrigens auch Rechts-)Bruch, der nicht unbeantwortet bleiben darf. Der Inhalt privater, vertraulicher Gespräche geht keinen „Chef“ irgendwas an. Punkt.
Als kämpferische Basisgewerkschaft solidarisieren wir uns mit den Betroffenen solch massiver Angriffe. Angriffe gegen Einzelne sind Angriffe gegen alle Arbeitenden, und als solche muss ihnen begegnet werden. Andererseits zeigt der hektische und undurchdachte Aktionismus des AStA-Vorstandes, dass sich selbstorganisierende Arbeitende in der Lage sind, ihre Interessen wirksamer kollektiv zu vertreten, weshalb „Bosse“ davor Angst haben. Und das betrifft offensichtlich auch vermeintlich moderne, oft „progressiv“ gelesene „Bosse“ wie einen Uni-AStA.
Weder die kollektive Selbstvertretung von Arbeitenden-Interessen noch die Absicht, auf demokratische Weise Einfluss zu nehmen, sind für die Beurteilung des arbeitsrechtlichen Vertrauenspotentials irgendwie relevant. Offensichtlich gibt es Meinungsverschiedenheiten und unterschiedliche Vorstellungen zur zukünftigen Entwicklung – oder Beseitigung – der vom AStA-Vorstand verächtlich als „linke Freiräume“ bezeichneten offenen Angebote und Räume. Union Busting und fristlose Kündigungen – noch dazu fast aller Mitarbeitenden – sind jedoch niemals geeignete oder gerechtfertigte Mittel der Auseinandersetzung über solche (politischen) Differenzen.
Es verwundert nicht, dass wer solche Methoden für geeignet hält, als vermeintlichen Ersatz für den Einsatz der kompetenten langjährigen Mitarbeitenden, darunter eines Rechtsanwalts, der in Eigeninitiative die kostenlose Rechtsberatung für Studierende aufgebaut hat, ausgerechnet das Anheuern prekär beschäftigter Minijobber („Teamer“) in Aussicht stellt. Da schon die nun gekündigten „normalen Stellen“ wegen der ohnehin geringen Entlohnung nur schwer adäquat zu besetzen waren, wird dies bei prekären „Teamern“ erwartbar gar nicht erst gelingen – und ist ein zudem weiterer Baustein einer zutiefst (mit-)arbeitendenfeindlichen AStA-Politik, der es sich gemeinsam entgegenzustellen gilt.
Offene, selbstverwaltete Räume sind kein „linksextremer Rand“, sondern wichtige Zentren einer lebendigen und freiheitlichen Zivilgesellschaft.
Wer jedwede Gewerkschaftsarbeit und Mitarbeitenden-Interessenvertretung für linksradikales Teufelszeug hält, das es zu bekämpfen gilt, sieht folgerichtig auch in offenen Freiräumen eine Gefahr. Dabei sind sie die Basis einer offenen und offen sich austauschenden, allen zugänglichen (Zivil-)Gesellschaft. Zum Treppenwitz wird das Ganze, wenn ausgerechnet sich „freiheitlich-demokratisch“ etiquettierende Nachwuchspolitambitionierte sich so verächtlich gegen offene Freiräume äußern und entsprechend aggressiv gegen sie und die sie Tragenden agieren.
Dass der AStA-Vorstand behauptet, nur „verbessernd umstrukturieren“ und angeblich sogar zugänglicher machen – statt schließen – zu wollen, ist schon deshalb nicht plausibel, weil es zwar allerhand Kündigungen und daraus resultierende faktische Schließungen oder massive Einschränkungen gibt, aber noch keine konkreten Pläne für Neues, schon gar nicht transparent kommuniziert. Außerdem fehlen für die vage angekündigten Veränderungen schlicht Mittel und Möglichkeiten.
Prekär beschäftigte „Teamer“ werden schon den Alltagsbetrieb der Angebote und Freiräume nicht adäquat gewährleisten und erst recht keine umfangreiche Umstrukturierung gestalten und tragen können. Besonders deutlich wird dies im Fall der kostenlosen Rechtsberatung für Studierende: Ein beispiellos engagierter Rechtsanwalt soll durch prekär geringbeschäftigte „Teamer“ ersetzt werden. Der in Aussicht gestellte Umzug des fem_Archiv aus der freien Bibliothek Konte[x]t in die – durch wen für Nutzende offengehaltenen? – AStA-Büroräume scheitert nicht nur an mangelnden qualifizierten und einschlägig motivierten Tätigen, sondern auch an der schlichten Tatsache, dass die fraglichen Literaturbestände dem AStA bzw. der Studierendenschaft mehrheitlich gar nicht gehören. Und die ganze Konstruktion des – bisher – offenen und selbstverwalteten studentischen Kulturzentrums [KuZe] basiert auf der zweckgebundenen Vermietung durch das Studierendenwerk (SW). Es ist nicht ersichtlich, warum das SW auf Kosten eines von ihm selbst ermöglichten und geförderten Projektes, auf das es seit Jahren öffentlich stolz zu sein bekundet, das als Grundlage dienende bebaute Grundstück für deutlich andere Zwecke, eben nicht die vom AStA UP-Vorstand verachteten „linken“ – also offenen, selbstverwalteten – „Freiräume“, zur Verfügung stellen soll.
Unterm Strich bleibt: Die vermeintliche „Umstrukturierung“ ist weitgehend nur ein Abbau, eine Behinderung, wenn nicht der Versuch einer Zerschlagung. Und zwar emanzipatorischer Gestaltungsräume. Wir als FAU Potsdam rufen alle direkt und indirekt betroffenen Menschen, Gruppen, Projekte und das gesamte Potsdamer Umfeld auf, diese emanzipatorischen Räume, ihre Möglichkeiten für selbstorganisiertes, selbstverwaltetes Engagement, für das Einüben und Praktizieren von umfassender Mitbestimmung aller Beteiligten, diese frei zugänglichen Gestaltungsspielräume für verschiedenste Menschen und insbesondere alle Potsdamer Studierenden gemeinsam zu verteidigen, weiterhin mit buntem Leben zu füllen – und gemeinschaftlich weiterzuentwickeln.
Die Sektion Potsdam der FAU Berlin, 22. Oktober 2024
Dieser Beitrag als als PDF und als Broschüre.